Frauen im österreichischen Maßnahmenvollzug. Eine intersektionale Analyse der Lebensbedingungen und Selbstermächtigungsstrategien psychisch kranker Straftäterinnen

Research output: Types of ThesesDoctoral Thesis

Abstract

Im österreichischen Justizsystem werden Personen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung gegen geltendes Recht verstoßen haben, in speziellen forensisch-therapeutischen Zentren auf unbestimmte Zeit untergebracht und betreut. Frauen sind in diesem System eine statistische Minderheit, was die Lebensrealität der Betroffenen auf unterschiedliche Weise beeinflusst. Es wird theoretisch davon ausgegangen, dass sich der Maßnahmenvollzug als Mikrokosmos der Gesellschaft, anhand intersektionaler Differenzkategorien, wie bspw. Gender, Rasse* und Klasse strukturiert, die in Folge Herrschaftsverhältnisse, wie u.a. Rassismen und Klassismen erzeugen. Mit Blick darauf werden in dieser Studie mittels qualitativer Methoden die intersektionalen Lebensbedingungen und Herrschaftsverhältnisse, in welchen sich Frauen im Maßnahmenvollzug bewegen müssen, erforscht. Da die Daten (narrativ biografische Interviews mit Maßnahmenklientinnen) mit der intersektionalen Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele (2009) ausgewertet werden, wird ermöglicht, die Wirkmacht sozialer Differenzkategorien auf und zwischen den drei Ebenen der Identität, der symbolischen Repräsentation/Diskurse und der Ebene der gesellschaftlichen Strukturen zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere hegemoniale und neoliberale Vorstellungen von Gender, Rasse* und Körper normierend auf die Frauen wirken und sich zudem in den Strukturen des Maßnahmenvollzugs materialisieren. Diese intersektionalen Lebensbedingungen und Herrschaftsverhältnisse beeinflussen in Folge das individuelle Handeln der interviewten Frauen im Maßnahmenvollzug. Dennoch werden ihre sozialen Praxen durch diese nicht determiniert, denn sie entwickeln Selbstermächtigungsstrategien, um handlungsfähige Subjekte zu bleiben. Diese Strategien zeigen sich in zwei unterschiedlichen Formen, und zwar in Gestalt der Kämpfenden und der Angepassten. Die Selbstermächtigungsstrategien der Kämpfenden lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Verhältnisse und die strukturellen Vorgaben im System Maßnahmenvollzug nicht widerspruchslos akzeptiert werden, sondern punktuell danach gestrebt wird, diese zu verändern. Die Strategie der Anpassung charakterisiert sich hingegen dadurch, dass versucht wird, sich an die Bedingungen im System anzupassen und diese zu akzeptieren. Aufgrund der Tatsache, dass die Dauer der Anhaltung auf unbestimmt Zeit verlängert werden kann, wählt der überwiegende Teil der Frauen schlussendlich die Strategie der Anpassung, denn diese kann potenziell ermöglichen, die Freiheit wiederzuerlangen.
Original languageGerman (Austria)
QualificationDr. phil.
Awarding Institution
  • Universität Graz
Supervisors/Advisors
  • Wagner, Petra, Supervisor
  • Sprung, Annette , Supervisor, External person
Award date24 Jun 2024
Publication statusPublished - 24 Jun 2024

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