Abstract
1. Mindestlohntarife sind als Verordnungen
nach den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (s
auch 9 Ob A 27/09z; RIS-Justiz RS0008777).
Einem Mindestlohntarif darf daher in der
Anwendung kein anderer Verstand beigelegt
werden, als welcher aus der eigentümlichen
Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang
und aus der klaren Absicht des Normgebers
hervorleuchtet. Die Normadressaten,
denen nur der Text der Norm zur Verfügung
steht, müssen (und können) sich darauf verlassen,
dass die Absicht des Normgebers im
kundgemachten Text ihren Niederschlag gefunden
hat.
2. Nur wenn der Wortsinn der Bestimmung zu
keinem eindeutigen Ergebnis führt, so ist
mittels objektiv�teleologischer Interpretation
nach dem Sinn und Zweck zu fragen,
den die Regelung – mit Rücksicht auf den
Systemzusammenhang – vernünftigerweise
haben kann.
3. Der Text des hier anzuwendenden Mindestlohntarifs
für in privaten Bildungseinrichtungen
beschäftigte Arbeitnehmer/innen,
wonach das Mindestbruttogehalt „pro Unterrichtseinheit
von 50 Minuten einschließlich
Vor- und Nacharbeiten“ festgesetzt wird,
bringt zum Ausdruck, dass die Vor- und
Nacharbeiten, die vom Mindestbruttogehalt
pro Unterrichtseinheit abgegolten sein sollen,
einen unmittelbaren Bezug zur konkreten
Unterrichtseinheit aufweisen müssen.
4. Hätte der Normgeber einen umfassenderen
Begriff der Vor- und Nacharbeiten vor
Augen gehabt, die vom Mindestbruttogehalt
pro Unterrichtseinheit abgegolten sein sollen,
so wäre zumindest eine entsprechende
Konkretisierung dieser Leistungen zu erwarten
gewesen.
5. Das festgesetzte Gehalt „pro Unterrichts -
einheit von 50 Minuten einschließlich Vorund
Nacharbeiten“ würde seinen Zweck als
Mindestgehalt verfehlen, wenn damit eine
Vielzahl von zusätzlich vom/von der Arbeitnehmer/
in zu verrichtenden und im Übrigen
nicht einmal exakt im Vorhinein überschaubaren
Tätigkeiten abgegolten würde.
6. Sprechstunden, Elternsprechtage und Konferenzen
beziehen sich jedenfalls nicht auf
die konkrete Unterrichtseinheit. Die von der
Klägerin für die Abhaltung von Sprechstunden
sowie die Teilnahme an Elternsprechtagen
und Konferenzen erbrachten Arbeitsleistungen
sind somit zusätzlich zum Mindestbruttogehalt
pro Unterrichtseinheit von
50 Minuten zu vergüten.
7. Hinsichtlich der Höhe der Entlohnung dieser
gesondert zu entlohnenden Stunden ist von
jenem im Mindestlohntarif für die Unterrichtseinheiten
festgesetzten Betrag auszugehen,
da der Mindestlohntarif nur diesen
Satz vorsieht.
8. Für Dienste mit geringerer Arbeitsintensität
kann grundsätzlich ein geringeres Entgelt
als für volle Arbeit vereinbart werden.
Titel in Übersetzung | Mindestlohntarif Private Bildungseinrichtungen: Sprechstunden, Elternsprechtage und Konferenzen fallen unter die Vor- und Nacharbeiten. Supplierstunden, Lehrausgänge, Tage der offenen Tür und Pausenaufsichten sind gesondert zu entlohnen. |
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Originalsprache | Deutsch |
Seiten (von - bis) | 114-117 |
Fachzeitschrift | Neue@Hochschulzeitung |
Jahrgang | 2016 |
Ausgabenummer | 3 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - Sep. 2016 |