Wissenschaftliche Grundlagen sozialer Kompetenz: Soziale Kompetenz als "kritische" berufliche Anforderung

  • Jeannette Hemmecke (Redner*in)

Aktivität: Gespräch oder VortragVortrag

Beschreibung

Soziale Kompetenz gewinnt sowohl in der Arbeitswelt als auch im privaten Bereich zunehmend an Bedeutung. Sie rückt in vielen Berufen neben Fach- und Methodenkompetenz in den Mittelpunkt der Arbeitsanforderungen. Im Vortrag werden zum einen theoretische Konzepte sozialer Kompetenz vorgestellt, als auch zwei empirische Studien präsentiert, die die Autorin durchgeführt hat. Nach einem wissenschaftshistorischen Blick auf Arbeiten zu sozialer Kompetenz, die Forschungstraditionen rund um soziale Intelligenz (Thorndike 1920), social skills (Argyle 1967), soziale Unsicherheit (Petermann & Petermann 1989), soziale Handlungskompetenz (Orendi et al. 1986), interpersonale Kompetenz (Buhrmester et al. 1988) oder emotionale Intelligenz (Salovey und Mayer 1990) umfassen, wird deutlich, dass es der Wissenschaft bis heute nicht gelungen ist, eine allgemein akzeptierte Definition sozialer Kompetenz zu geben. Die anwendungsbezogene Forschung ist sich einig, dass die Erkenntnisse der grundlagenorientierten Forschung nur als Rahmen für eine differenziertere Suche nach Eigenschaften und Fertigkeiten in spezifischen Berufsfeldern, Lebensbereichen usw. gelten können. Je nach Beruf spielen unterschiedliche Facetten sozialer Kompetenz eine tragende Rolle. Demzufolge ist eine Diskussion der verschiedenen theoretischen und praktischen Ansätze besonders im Hinblick darauf notwendig, was soziale Kompetenz im Kontext schulischer Erziehung und Ausbildung sowie Berufsvorbereitung bedeuten kann. Aufgrund der Diversität der Vorstellungen von sozialer Kompetenz haben wir in einer Studie 150 österreichische Führungskräfte befragt, was sie unter sozialer Kompetenz verstehen. Wir klassifizierten die offenen Antworten in drei Metakategorien, die uns Aufschluss über die Veränderbarkeit sozialer Kompetenz gaben: 1) Persönlichkeitseigenschaften, 2) Werthaltungen, 3) Wissen und Fertigkeiten. Persönlichkeitseigenschaften gelten als über die Lebensspanne relativ stabil und resistent für Veränderungen und machen in unserer Studie 20 % der Nennnungen aus. Für die Schule von besonderer Relevanz ist die mittlere und größte Kategorie der Werthaltungen, die zwei Drittel aller Nennungen ausmacht, da diese inneren Einstellungen gegenüber anderen vorwiegend durch Sozialisation im Kindes- und Jugendalter erworben werden. In diese Metakategorie fallen etwa: Empathie und gegenseitige Wertschätzung, Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Kooperationsbereitschaft und Gerechtigkeit. Die dritte Metakategorie Wissen und Fertigkeiten erwies sich als die kleinste (14% der Nennungen), ist aber die, deren Veränderung die meisten Trainings sozialer Kompetenz anstreben. Fertigkeiten lassen sich durch Übung meist gut trainieren, Wissen lässt sich lernen. Allerdings sehen wir, dass Wissen und Fertigkeiten nur relativ marginal zur sozialen Kompetenz einer Person aus Sicht von Führungskräften beiträgt. Es wird eine zweite Studie vorgestellt, die sich mit berufsbezogenen sozialen Kompetenzen befasst. Wir befragten 50 berufserfahrene Kundenberater eines österreichischen Finazdienstleisters nach besonders kritischen Situationen für Erfolg in ihrem Beruf. Die erfolgreichen als auch nicht erfolgreichen Situationen, die auf vorhandene bzw. mangelnde soziale Kompetenzen zurückgeführt wurden, ließen sich in drei Bereiche gliedern: 1) Situationen, in denen die Kundenbeziehung entscheidend für (Miss-)Erfolg war, 2) Situationen, in denen der Gesprächsverlauf die kritische Größe war und 3) Situationen, in denen außergewöhnliche Ereignisse die soziale Kompetenz der Kundenbetreuer herausforderte. Bei näherer Betrachtung lassen sich auch hier die Metakategorien der ersten Studie wiederfinden mit ähnlich großer Bedeutung der Werthaltungen, aber größerer Bedeutung der Fertigkeiten als in der ersten Studie. Beide vorgestellte Studien zeigen die Bedeutung sozialer Kompetenz im beruflichen Kontext und die Wichtigkeit, dass bereits früh die Herausbildung sozialer Kompetenz unterstützt wird.
Zeitraum1 Apr. 2003
EreignistitelTagung des Sozialkompetenzzentrums des Pädagogischen Instituts des Bundes
VeranstaltungstypWorkshop
OrtPuchberg/Wels, ÖsterreichAuf Karte anzeigen